Fast Fashion Facts Part 2
Aktualisiert: 3. März 2021
Lieben wir nicht alle schöne Mode? Nein, nicht alle. Denn ausgerechnet die Menschen, die unsere stylischen Teile herstellen, leiden unter dem schnelllebigen Modemarkt.
In unserem letzten Artikel haben wir uns angeschaut, wie sich Fast Fashion auf unsere Umwelt auswirkt (falls du das verpasst hast, hier entlang). Heute konzentrieren wir uns auf die Auswirkungen auf Näher und Näherinnen. Bangladesch
Bevölkerungszahl: 164 Millionen Anzahl der Textilfabriken: ca. 5000 Anzahl der dort Beschäftigten: ca. 4-5 Millionen Minimum Wage: ca. 78 €/Monat Living Wage: ca. 256 €/Monat Minimum Wage ist der Mindestlohn, der den ArbeiterInnen von Gesetzeswegen zusteht. Im Artikel wurde darauf geachtet, die aktuellen Zahlen zu nennen.
Living Wage ist der Betrag, der den ArbeiterInnen mindestens gezahlt werden müsste, um eine Sicherung der Existenz zu gewährleisten. Er muss Kosten für Nahrung, Wasser, Unterkunft, Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport und Kleidung abdecken. Außerdem sollte ein kleiner Teil des Gehalts zur freien Verfügung stehen und Ersparnisse ermöglichen.
Bangladesch ist eins der ärmsten Länder der Welt. Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Gleichzeitig ist Bangladesch der zweitgrößte Bekleidungshersteller der Welt. Mit 80% Anteil an den Exporten ist die Textilbranche eine der wichtigsten Wirtschaftszweige. Die meisten Exporte gehen in die EU und bringen viel Geld ein. Das erklärt auch, warum das Land an dieser Branche festhält, obwohl sie die ArbeiterInnen nicht gut behandelt.
Die miserablen Arbeitsbedingungen der Menschen, die unsere Kleidung nähen, war schon lange bekannt. Leider hat es uns nicht genug interessiert. Doch dann kam der 24.04.2013. Der Einsturz der Fabrik Rana Plaza mit 1.135 Toten stellte eine große Zäsur da. Obwohl schon am Vortag Risse am Gebäude zu sehen waren, wurden die NäherInnen zur Arbeit gezwungen. Durch die Katastrophe wurde uns das Elend der Menschen dort so deutlich vor Augen geführt, dass es unmöglich wurde, wegzuschauen.

Nach dem Unfall sollte alles anders werden. Das wurde es zum Teil auch, die Sicherheitsmaßnahmen in den Fabriken wurden stark überarbeitet.
Doch an den grundlegenden Problemen änderte sich leider nicht viel.
Rana Plaza zeigte die Probleme der Modewelt ganz brutal auf.
Die Gier der Fabrikbetreiber, die Menschen zur Arbeit zwingt, obwohl es ganz offensichtlich ist, dass diese in Gefahr sind.
Die Angst der ArbeiterInnen "nein" zu sagen. Weil ihr Hungerlohn sowieso kaum zum Leben reicht, aber dessen Ausfall der absolute Untergang wäre.
Aber vor allem: Die Ignoranz und Vergesslichkeit von uns, den Konsumenten.
Im ersten Moment war der Schrecken über das Rana Plaza Unglück groß, doch hat es langfristig dafür gesorgt, dass wir der Fast Fashion den Rücken kehren? Leider nein.
Für die ArbeiterInnen selbst ist es schwierig, etwas an ihrer Situation zu ändern, denn Gewerkschaften haben es schwer in Bangladesch. Immer wieder gibt es Proteste, bei denen Regierung und Fabrikbetreiber hart zurückschlagen.
Hauptsächlich arbeiten Frauen in den Fabriken, wohingegen die Aufsichts- und Führungspositionen meistens von Männern besetzt sind.
Neben der harten, schlecht bezahlten Tätigkeit ist der Arbeitsalltag dieser Frauen auch sonst schwer. Laut der Initiative FEMNET sagen über 60% von ihnen, dass sexuelle Anspielungen/Belästigungen in Fabriken üblich sind. Um mit dem geringen Lohn über die Runden zu kommen, müssen Näherinnen bis zu 100 Überstunden pro Monat leisten. Darüber hinaus wird in ihrer Kultur von ihnen erwartet, neben der harten Arbeit sich noch um Kinder und Haushalt zu kümmern. Myanmar
Bevölkerungszahl: 54 Millionen Anzahl der Textilfabriken: ca. 400 Anzahl der dort Beschäftigten: ca. 350.000 Minimum Wage: 2,80 € /Tag, ca. 60 € /Monat Living Wage: ca. 113 € /Monat
Nach dem Rana Plaza Unglück verließen einige Firmen Bangladesch und gingen nach Myanmar, die schrecklichen Arbeitsbedingungen nahmen sie mit.
Myanmars textile Geschichte reicht lange zurück. Die ersten Textilfabriken wurden schon unter der britischen Regierung zwischen 1824 und 1948 erbaut. Nach 1988, als in Myanmar zum ersten Mal ausländische Investitionen erlaubt wurden, wuchs die Industrie deutlich.
Heute ist sie eine der wichtigsten Wirtschaftsstandbeine und bringt viel Geld ein.
Doch Myanmar ist weiterhin eines der ärmsten Länder in Asien. 2015 lebten 32% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.
Laut einer Studie der Hilfsorganisation Oxfam aus dem Jahr 2015, gaben 43% der befragten ArbeiterInnen an, sich am Arbeitsplatz nicht sicher zu fühlen. Mehr als ein Drittel hat keinen Arbeitsvertrag und zwei Drittel wussten nicht, wie lange ihr Vertrag gültig ist.
Auch im ehemaligen Burma sind eine 6-Tage-Woche, 12-Stunden-Schichten und regelmäßige Überstunden eher die Norm als die Ausnahme. Leider gibt es auch hier Berichte über Kinderarbeit.
Trotz allem boomt die Textilindustrie in Myanmar, mit dabei sind natürlich die großen Modemarken, die sich in all unseren Kleiderschränken befinden.

Indien Bevölkerungszahl: 1,3 Milliarden Anzahl der Textilfabriken : 5000 (Schätzung, da viele nicht registriert sind) Anzahl der dort Beschäftigten: 12,3 Millionen (ebenfalls Schätzung) Minimum Wage: ca. 113 €/Monat Living Wage: 300 €/Monat
Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist nach der Landwirtschaft und dem Baugewerbe der drittgrößte Arbeitgeber des Landes. Der Hauptteil der Beschäftigen besteht aus Frauen und die haben es wie in Bangladesch alles andere als leicht. Bei einer Befragung in Bangalore im Jahr 2016 gaben etwa 60% der Textilarbeiterinnen an, bereits physische oder psychische Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz erlebt zu haben, wie Drohungen, Beschimpfungen, oder sexueller Belästigung. Auch hier müssen ArbeiterInnen viele Überstunden leisten, um über die Runden zu kommen.
Ein Beispiel für die prekäre Lage der Frauen in der Textilindustrie ist das Sumangali Programm.
Sumangali bedeutet übersetzt „Glückliche Braut“, aber man könnte es auch einfach moderne Sklaverei nennen. Hier werden gezielt junge Frauen aus armen Familien angesprochen und mit dem Versprechen von viel Geld und guter Arbeit angelockt. Dafür müssen sie einen Vertrag unterschreiben, der meist für 3-5 Jahre gilt.
Der Hintergrund: In Indien ist es immer noch weitverbreitet, dass Frauen eine Mitgift mit in die Ehe bringen. Das in den Fabriken erarbeitete Geld soll somit den jungen armen Frauen eine Ehe ermöglichen, daher der Name des Programms. Doch besonders glücklich werden die Mädchen leider nicht. Ein Teilbetrag des sowieso schon unfassbar niedrigen Lohnes wird ihnen monatlich ausbezahlt, der Hauptteil wird zurückbehalten und nach Programmende ausbezahlt (so lautet zumindest das Versprechen). Die Mädchen wohnen mehrheitlich unter schlechten Bedingungen auf dem Fabrikgelände, das sie nicht ohne Erlaubnis und unbegleitet verlassen dürfen. Für Essen und Unterkunft wird ihnen Geld vom Gehalt abgezogen. Selbst wenn die Mädchen die Zeit durchhalten, bekommen sie die vereinbarte Summe oft nicht. Obwohl sie hart dafür arbeiten: Durchschnittlich 12 Stunden täglich, also 72 Stunden in der Woche.
Ein großer Teil der Arbeiterinnen im Sumangali Programm sind Jugendliche im Alter von 14-18 Jahren. Die Süddeutsche Zeitung schätzt, dass bis zu 300.000 Mädchen von diesem Programm betroffen sind.

Die Corona Krise Die Pandemie war für die ganze Welt ein riesen Schlag, da macht die Textilbranche keine Ausnahme. Doch auch hier ist es für manche schwerer als für andere.
Beispiel H&M :
Der verbuchte Gewinn des schwedischen Moderiesen fiel 2020 zwar deutlich geringer aus als im Vorjahr, lag aber immer noch bei 120 Millionen Euro.
So groß die finanziellen Einbußen und Sorgen bei den großen Firmen wie H&M auch sein mögen, bei ihren ArbeiterInnen am anderen Ende der Welt sind sie größer.
Laut der FAZ gaben in einer Umfrage vier von fünf Eltern, die in der Textilbranche arbeiten, an, Mahlzeiten ausfallen zu lassen, damit ihre Kinder volle Teller haben können. Unter ihren Auftraggebern sei laut der Studie auch H&M.
Stornierte Aufträge, stillgelegte Fabriken, nicht gezahlte Löhne: Für sie geht es ums nackte Überleben. Hunderttausende FabrikarbeiterInnen in Asien sind damit nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) existenziell bedroht. Wir sehen also, die Fast Fashion Industrie ist ein schmutziges Geschäft, sowohl für die Umwelt als auch für die Menschen, die dafür arbeiten. Vor allem über den weltweit größten Textilexporteur China gibt es noch einiges zu sagen. So viel, dass wir diesem Thema einen eigenen Artikel in unserer Fast Fashion Facts Serie widmen werden. Was hat es mit den Uiguren-Lagern auf sich, was ist das Problem mit der Baumwolle und wer genau näht in China überhaupt?
All diesen Fragen werden wir im nächsten Artikel auf den Grund gehen.
Ihr fragt euch, was ihr während der Wartezeit machen könnt?
Da haben wir eine tolle Idee für euch: Nach all den schockierenden Informationen über die Fast Fashion Industrie tut ein Besuch in unserem nachhaltigen Handmade&Upcycling Shop bestimmt gut. 😉